Kolumne in der Fachzeitschrift ET Elektrotechnik (5/2023)
Die Schweiz hat im Juni Geschichte geschrieben und sich deutlich für Klimaschutz und den Ausstieg aus den fossilen Energien ausgesprochen. Als einziges Land weltweit hat sie das Ziel Netto null bis 2050 per Volksabstimmung bestätigt. Das Ja zum Klimaschutzgesetz ist gleichzeitig auch ein Ja zur Stärkung der Versorgungssicherheit mit einheimischen erneuerbaren Energien. Mit der Elektrifizierung werden wir zwar energieeffizienter, wir werden aber 2050 rund ein Drittel mehr Strom verbrauchen als heute. Das mit Abstand grösste ungenutzte Potenzial aller erneuerbaren Energien birgt die Photovoltaik. Allein auf den bestehenden Dächern und Fassaden könnten wir mehr Strom produzieren, als wir heute verbrauchen. Aktuell werden nicht einmal 7% der geeigneten Dachflächen für die Solarstromproduktion genutzt. Das muss sich ändern!
In den nächsten zwei Jahrzehnten können wir Photovoltaik so zuzubauen, dass sie neben der Wasserkraft zum zweiten Pfeiler unseres Energiesystems wird. Das Parlament hat erkannt, dass die bisherigen Ausbauziele nicht genügen, und will diese im Gesetz «Sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» massiv erhöhen. Bis 2035 soll 35 TWh Stromproduktion aus den neuen erneuerbaren Energien kommen – der Löwenanteil, etwa 30 TWh, soll die Photovoltaik liefern. Die Solarbranche ist bereit für diese Aufgabe. 2022 wurden 42'000 neue Solaranlagen gebaut mit einer Leistung von über 1 Gigawatt, im 2023 werden es noch einmal deutlich mehr sein. Es braucht überall Photovoltaik: auf den Dächern, an den Fassaden, auf den versiegelten Flächen und Infrastrukturanlagen. Zusätzlich sind alpine Freiflächenanlagen nötig. Diese bringen die Hälfte ihres Ertrags im Winter.
Im heissen Sommer sind die Diskussionen um die Energie-Versorgungssicherheit und eine drohende Strommangellage in den Hintergrund gerückt. Das Thema wird und aber auch in den kommenden Wintern weiter beschäftigen. Kurzfristig braucht es deshalb schnell umsetzbare Massnahmen, um eine Winterstromlücke abzuwenden. Neben dem Ersatz von Stromfressern wie Elektrowiderstandsheizungen, Elektroboiler und Beleuchtung braucht es die Möglichkeit eines wettbewerblichen Verbrauchsverzichts für die Industrie. Zudem wäre es sinnvoll, Winterstromtarife einzuführen, die zum Stromsparen anregen. Während die Schweiz heute in den meisten Monaten genügend Strom produziert, bleibt die Zeit von Mitte November bis Mitte Februar momentan kritisch. Hier könnten zusätzliche Wasserreserven zurückbehalten werden, statt dieses im Sommer ins Ausland zu verkaufen. Und schliesslich bleibt ein Stromabkommen mit der EU unabdingbar für eine sichere Stromversorgung.
Um die Probleme rund um die Winterstromversorgung zu beheben, müssen mithelfen: Die Solarbranche, indem sie für den nötigen Zubau sorgt. Die Elektrizitätswirtschaft, indem sie dynamische, verbrauchslenkende Stromtarife einführt und die Speicherkraftwerke im Sinne der Versorgungssicherheit besser bewirtschaftet. Die Politik, indem sie gute Rahmenbedingungen für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren schafft und für ein Stromabkommen sorgt. Die Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer, indem sie ihre Häuser energetisch sanieren lassen. Und die Gebäudetechnik-Branche, indem sie die Gebäudetechnik-Automation weiter vorantreibt und so für Energieeffizienz sorgt. Ich bin überzeugt: Wenn wir an einem Strick ziehen, schaffen wir die Energiewende!
Dieser Text erschien in der Ausgabe 5/2023 der Fachzeitschrift ET Elektrotechnik.