Interview zum Tag gegen Lärm mit Radio ORF 26.4.2023
Was ist die Lärmliga, was kann sie, was darf sie?
Die Lärmliga ist die einzige NGO in der Schweiz, die sich ausschliesslich mit Lärmfragen befasst. Wir bieten juristische Lärmberatungen für Betroffene an, sensibilisieren die Bevölkerung und bringen uns auf politischer Ebene ein, indem wir Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen schreiben und Lobbyarbeit im Parlament betreiben.
Wird das Lärmproblem größer?
Die Schweiz ist ein kleines Land, und im Mittelland dicht besiedelt. Das mit Abstand grösste Lärmproblem ist der Strassenlärm. Über 1.1 Millionen Menschen wohnen an lärmbelasteten Strassen, jede 7. Person betroffen. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung stark und der Wunsch nach Verdichtung innerhalb der Siedlungen nimmt zu. Das verschärft natürlich das Problem.
Zurzeit sind Bestrebungen im Gang, den Lärmschutz an lärmbelasteten Strassen aufzuweichen, sodass auch an Orten, wo die Lärmgrenzwerte überschritten werden, gebaut werden kann. Die Lärmliga bekämpft diese Entwicklung und fordert stattdessen, dass der Lärm an diesen Strassen bekämpft wird. Denn das Problem in den Siedlungen ist der Lärm, nicht der Lärmschutz!
Nimmt man die gesundheitlichen Folgen von Lärm wirklich ernst?
Eine umfangreiche wissenschaftliche Studie von 2019, die so genannte Sirene-Studie, hat klar aufgezeigt, wie gesundheitsschädlich Lärm ist. Wer an einer lärmbelasteten Strasse wohnt, hat ein stark erhöhtes Risiko, an Herz-Kreislaufkrankheiten zu erkranken. Der ständige Stress, dem der Körper ausgesetzt ist, führt bei vielen Menschen zu Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafproblemen und damit verbunden zu reduzierter Leistungsfähigkeit. Gerade Kinder sind besonders betroffen.
In der Gesundheitspolitik ist das Problem allerdings noch nicht wirklich angekommen. Die Politik betrachtet Lärm nach wie vor als Umweltproblem.
Was wird konkret unternommen, Temporeduktionen, Lärmschutzbauten etc.?
Früher haben viele Kantone vor allem auf Lärmschutzwände und Schallschutzfenster gesetzt. In den letzten Jahren erfolgte ein Umdenken, und es wird vermehrt auf Massnahmen gesetzt, die den Lärm direkt an der Quelle, also dort, wo er entsteht, bekämpfen.
Der Ruf nach einer flächendeckenden Einführung von Tempo 30 in den Städten wird lauter, ist aber meist noch nicht mehrheitsfähig. Viele Kantone setzen auf den Einbau von lärmarmen Belägen. Diese sind jedoch etwas teurer und halten weniger lang als konventionelle. Es braucht eine Kombination von Massnahmen, dazu gehört auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, um den Strassenlärm deutlich zu reduzieren.
Was würde sich die Lärmliga wünschen?
Die eidgenössische Kommission für Lärmbekämpfung berät den Bundesrat in Lärmschutzfragen. Sie hat kürzlich einen umfangreichen Bericht veröffentlicht und empfiehlt dringend, die Lärmgrenzwerte zu senken – eben weil Lärm für so viele Menschen gesundheitsschädigend ist.
Lärm ist ein gravierendes Gesundheitsproblem, das endlich ernst genommen werden muss. Die Politik muss der Wissenschaft folgen und die Lärmgrenzwerte nach unten anpassen. Gleichzeitig braucht es wirksame Massnahmen an der Quelle: Temporeduktionen, der Einbau von lärmarmen Belägen sowie ein Verbot von lauten Reifen.
Interview zum Tag gegen Lärm in meiner Funktion als Präsidentin der Lärmliga Schweiz. Das Interview führte Matthias Neustädter von Radio ORF Vorarlberg.